Christlichen Zionismus verstehen | thebereancall.org

Wilkinson, Paul Richard

Ein Auszug aus dem Buch von Paul Wilkinson.

Christlicher Zionismus ist ein Oberbegriff, unter dem sich viele Christen, die Israel unterstützen, versammelt haben. Obgleich es breite Übereinstimmung bei denen gibt, die Gottes prophetische Absichten für Israel anerkennen und die auf 1948 als Erfüllung von Prophetie hinweisen, gibt es jedoch beträchtliche Unstimmigkeit in Bezug auf die Interpretation jener Schriften, die über die Entrückung der Gemeinde, die Identität und Rolle des Antichristen, die große Trübsalszeit und das Zweiten Kommen sprechen. Ich glaube, der christliche Zionismus bindet, wenn er richtig definiert ist, die folgenden Schlüsselelemente ein:

  1. Eine klare, biblische Unterscheidung zwischen Israel und der Gemeinde.
  2. Die jeden Moment mögliche Entrückung der Gemeinde vor der Trübsal.
  3. Die Rückkehr der Juden ins Land.
  4. Der Wiederaufbau des Tempels.
  5. Der Aufstieg des Antichristen.
  6. Eine siebenjährige Periode, die man die Große Trübsal nennt.
  7. Die nationale Errettung der Juden.
  8. Die Rückkehr Christi nach Jerusalem.
  9. Die Tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden.

Mit Vorstellung dieser Arbeitsdefinition möchte ich keinen christlichen Freund Israels verprellen. Solch eine Definition ist jedoch notwendig, um Verwirrung zu zerstreuen, Missverständnisse zu korrigieren und eine gesunde, biblische Grundlage zu legen, auf der die „Freundschaft“ und Unterstützung ruhen soll. Folglich werde ich bei Gelegenheit jene zitieren, die nicht meiner Definition beipflichten, deren Beiträge ich aber für wertvoll halte.

Das zionistische Kennzeichen

Nach Edward Flannery ist es ohne christlichen Zionismus „extrem unwahrscheinlich, dass der derzeitige Staat Israel so rasch entstanden wäre, wie es geschah“. Die Encyclopaedia of Zionism and Israel hält dem Christlichen Zionismus auch zugute, eine „direkte Bedeutung“ für die zionistische Bewegung gehabt zu haben, während Lawrence Epstein andeutet, zu wenige Leute würden realisieren, „wie viel Christen zur zionistischen Bewegung und zur Nation Israel beigetragen haben“.

Viele Christen haben sich entschieden, das zionistische Kennzeichen als Solidaritätsmerkmal für das jüdische Volk und den jüdischen Staat zu tragen, und als eine Weise, sich von jenen innerhalb der Kirche abzusetzen, die Israel theologisch ersetzt haben und es politisch ablehnten. In seinem Buch Standing with Israel: Why Christians Support the Jewish State (2006) beschreibt der jüdische Autor David Brog die christlichen Zionisten als „ideologische Erben der gerechten Heiden, die Juden während des Holocausts retteten“, und solche, die sich heute „den gelben Stern anheften“.

Historiker benutzten gerne den Begriff „Wiederherstellung“, wenn sie das christliche Interesse an der Rückkehr der Juden in das Land untersuchten. Aber dieses Etikett ist zu umfassend und flächendeckend, und berücksichtigt keine theologischen Komplexitäten. Da der christliche Zionismus im Wesentlichen eschatologisch ist, wird jede Studie, die mit diesem theologischen Vokabular nicht klarkommt, fehlerhaft sein. Obgleich es nicht leicht ist, zwischen den eschatologischen Konstellationen zu unterscheiden, die auf den ersten Blick identisch erscheinen, muss man aufpassen, damit eine korrekte Identifikation des „Christlichen Zionismus“ gemacht werden kann.

Die Grundlagen des Christlichen Zionismus

Das Etikett christlicher Zionist wurde den Mitgliedern der bekennenden Kirche wahllos angeheftet. Dies ist besonders auffällig unter liberalen Protestanten, die Solidarität mit dem jüdischen Staat gezeigt haben, entweder aus humanitären Gründen oder um Verbrechen wiedergutzumachen, die im Namen des Christentums am jüdischen Volk verübt wurden, oder schlicht als Mittel, biblische Konzepte der Befreiung und sozialen Gerechtigkeit aufrecht zu halten. Die Geschichte dieser liberalen Bewegung ist relativ neu im Vergleich zu seinem fundamental biblischen, evangelikalen und eschatologisch getriebenen Gegenstück, und ihr Einfluss ist geringfügig im Vergleich zu ihm. Man muss nur an den Erfolg von Hal Lindseys The Late Great Planet Earth denken, von dem 28 Millionen Exemplare verkauft wurden, und das bemerkenswerte Phänomen der Left Behind Reihe von Entrückungsromanen, die häufig an der Spitze der Bestsellerlisten standen und „frühere Rekorde weit übertroffen hatten“, um das Ausmaß der Christlich Zionistischen Tradition zu verstehen, die hauptsächlich einen biblischen „Fahrplan zum Frieden“ verfolgte.

Liberale protestantische Theologen und Sympathisanten des Zionismus wie Paul Tillich und Reinhold Niebuhr mögen ihre Solidarität an Schriftstellen über soziale Gerechtigkeit und Befreiung festgemacht haben, aber der christliche Zionismus, wie er in diesem Buch zitiert wird, fängt mit der Bibel an und endet mit ihr, und noch genauer, mit einer durchweg wörtlichen Interpretation biblischer Prophetie. Wie Elishua Davidson zusammenfasst, „das ganze prophetische, biblische Wort ist eine Blaupause für die Zukunft Israels, der Nationen und der Welt“. Mitglieder der Church of Jesus Christ of Latter Day Saints (Mormonen), die Zeugen Jehovas, und besonders die Christadelphians („Urchristen“) wurden oft in historische Studien über Wiederherstellung und Christlichen Zionismus einbezogen, aber dies verschmutzt einfach das Wasser. Wegen ihrer Irrlehren müssen diese Bewegungen separat behandelt und ihre Theologie von dem unterschieden werden, was grundlegend protestantisch und evangelikal ist.

Wie die Encyclopaedia of Zionism and Israel zu Recht erklärt hat, ist der christliche Zionismus „eine rein christliche Sache“, deren Ziele „theologisch geblieben sind“. Weit davon entfernt, ein Widerspruch in sich zu sein, ist es das am besten passende Etikett, um das fundamental biblische, evangelikale und eschatologische Interesse an Israels Wiederherstellung von anderer Bekundung pro-israelischer Ansichten zu unterscheiden.

Die Gemeinde und Israel

Christliche Zionisten unterscheiden klar zwischen Israel und der Gemeinde, und bestehen darauf, dass die Gemeinde weder das „Neue“, „wahre“ noch „spirituelle Israel“ ist. Laut Lewis Sperry Chafer, Begründer des Dallas Theological Seminary, „war Israel nie die Gemeinde, und ist es weder jetzt noch je in der Zukunft.“ Ramon Bennett sagt: „Wenn wir von Israels Gott oder dem Gott Israels sprechen, dann sprechen wir von dem Gott der physischen Nation Israel – dem jüdischen Volk, nicht der Gemeinde. Israel ist kein Synonym für die Gemeinde.“ Rob Richards, ehemals UK Direktor von Church’s Ministry among Jewish People (CMJ) ist sogar noch prägnanter: „Israel ist Israel ist Israel.“

Christliche Zionisten glauben, Gott würde einzigartig getrennte, obgleich zusammenhängende Ziele mit Israel und der Gemeinde ausarbeiten. Diese Unterscheidung wurzelt im Bunde mit Abraham, der als die „Grundlage des gesamten Bundesprogramms“ gilt, „dem Ursprung der Bibelprophetie“, und „absolut grundlegend in der gesamten Struktur prophetischer Wahrheit“. Obwohl also die Gemeinde aus „Abrahams Samen“ (Galater 3,29) besteht, erfüllt sie nicht die „noch nicht erfüllten Klauseln dieses Bundes“ die auf die Nation Israel zutreffen, und über die die Propheten so viel sprachen. Folglich spricht die Aussage Paulus, „und so wird ganz Israel gerettet werden“ (Römer 11,26), von Skevington Wood als „eine crux exegetica bei der prophetischen Interpretation“ beschrieben, nicht nur von der Errettung individueller Juden vor Christi Zweitem Kommen, sondern auch von der zukünftigen, nationalen Rettung Israels, wenn Er wiederkommt, um in Jerusalem zu regieren. Israel existiert somit als eine Nation außerhalb der Gemeinde, „wobei alle Verheißungen Gottes und Pläne für sie voll gültig bleiben“. Christliche Zionisten machen eine weitere wichtige Unterscheidung, indem sie beharrlich behaupten, Erlösung sowohl der Nation wie des Individuums werde durch den Neuen Bund in Christus vermittelt. Wie Steve Maltz schreibt, „es gibt für die ausgewählten Leute keinen schnellen Weg zum Paradies“, da „die Juden nicht durch den Judaismus gerettet werden, sondern wie jeder andere auch durch Jesus“.

Die Gemeinde hat Israels Segnungen beständig vergeistigt, während sie seine Gerichte wörtlich interpretiert hat. Basilea Schlink hält die Übertragung des einen ohne das andere für „wahrheitswidrig und unmöglich“. Um Michael Brown mit anderen Worten auszudrücken, man könne die Juden im Exil genauso wenig überzeugen, Gottes Verheißung der Wiederherstellung sei bildlich gewesen, wie man sie überzeugen könne, ihre Gefangenschaft solle auch bildlich verstanden werden. Widerspruchsfreiheit bei der Interpretation verlangt, die „wörtliche Bedeutung der verheißenen Wiederherstellung müsse genauso wirklich sein wie die wörtliche Bedeutung der angedrohten Gerichte.“ Wie der Herr selbst verkündete, „Wie ich all dieses große Unheil über dieses Volk gebracht habe, so will ich auch alles Gute über sie bringen, das ich über sie rede“ (Jeremia 32,42).

Das Land Israel

Trotz Jahrhunderte der Diasporawanderung, haben die jüdischen Leute einen „auf das Heilige Land zentrierten Glauben“ beibehalten, ihre Herzen sehnten sich nach der verheißenen Rückkehr nach Zion. Christliche Zionisten beharren darauf, das Land Israel, das jüdische Volk und die Stadt Jerusalem seien „untrennbar in einer Bundesbeziehung miteinander verknüpft“. Wie Moishe Rosen erklärt: „Gott versprach Abraham mehr als eine Nation von Nachkommen. Er versprach ein Land.“ Diese gegenseitige Beziehung zwischen dem Volk und dem Land wird als „der Schlüssel, der viele prophetische Geheimnisse aufschließt“, bezeichnet. Johann Kurtz drückte es in seiner History of the Old Covenant (1859) so aus: „Wie der Leib geeignet und bestimmt ist für die Seele, und die Seele für den Leib, so ist Israel für dieses Land und dieses Land für Israel.“

Obgleich jetzt viele Juden in das Land zurückgekehrt sind und der Staat Israel wieder hergestellt wurde, bestehen christliche Zionisten darauf, Israels momentanes Gebiet sei nur ein Bruchteil dessen, was Abraham verheißen (1 Mose 15,18) und Moses und Joshua gegenüber bestätigt wurde (4 Mose 34,3-12; Joshua 1,4). Wie Carmen Urquhart 1945 schrieb, „Palästina wird nie einem Volk außer den Juden gehören, egal welche Besitzrechte bestehen…. Sobald die Juden Buße tun und den Herrn Jesus annehmen, werden sie nicht nur Palästina erhalten, sondern den ganzen Rest des großen verheißenen Landes, und werden ein Segen inmitten der ganzen Erde sein.“ Das Land ist für ihre Theologie so zentral, dass christliche Zionisten es beschrieben haben als „das wichtigste Stück Grundbesitz auf der Erde“, „Gottes geographisches Zentrum“, „die geographische Plattform, auf der die Bibelgeschichte abläuft“, „das Zentrum des Universums – um die Ziele Gottes auszuarbeiten“, „das Zentrum göttlichen Handelns mit Nationen“, „der spirituelle Nabel der Welt“, „das Epizentrum der menschlichen Geschichte“, und „der Nullpunkt der Endzeiten“.

Auf ähnliche Weise wurde Jerusalem beschrieben als „eine mirakulöse Einheit“, die einzige Stadt auf Erden „die für niemanden niemals aus keinem Grund verhandelbar ist“, und „Nullpunkt für künftige Aktivitäten des Antichristen“ und für „Gottes barmherzige Erlösung“. In seiner Rede zur israelischen Knesset am 5 Dezember 1949 verkündete Premierminister David Ben Gurion, „das jüdische Jerusalem sei ein organischer und untrennbarer Teil des Staates Israel, wie es ein untrennbarer Teil der Geschichte und Religion Israels und der Seele unseres Volkes ist“. Christliche Zionisten sind einverstanden, obgleich sie versichern, Jerusalems Bedeutung beruhe letztendlich auf der Tatsache, es sei „die Stadt, wo Gottes Sohn für die Sünden der Welt starb“. Daher folgt eschatologisch, das Zweite Kommen Christi könne nicht von dem Ort getrennt werden, zu dem Er zurückkehren wird, noch von dem Volk, zu dem Er zurückkehren wird. Wie Sydney Watson schreibt, „ die jüdische Frage ist unendlich enger von der Tatsache der baldigen Rückkehr unseres Herrn umhüllt, als viele Redner und Schreiber herausstellen“.

Der Abrahamitische Bund

Christliche Zionisten zitieren den abrahamitischen Bund als Grundlage von Israels Recht auf den Besitz des Landes und behaupten, Gottes Verheißungen an Abraham seien „ziemlich spezifisch und unzweideutig“ und wären durch einen bedingungsfreien und ewigen Bund versiegelt worden (1 Mose 12,1-7; 15,18-21; 17,6-8; 26,3; 28,13-15; Hebräer 6,13-17). Murray Dixon vermerkt, „Gott war der alleinige Unterzeichner“ dieses Bundes, da nur Er durch die Tierstücke ging (1 Mose 15,12-21). Der Rückschluss, der aus dieser antiken, nahöstlichen Sitte gezogen wurde, lautet, Gott würde, als er dies tat, einen Fluch auf sich heraufbeschwören, sollte Er je Sein Versprechen brechen. Tatford fügt hinzu, „es sei keine Möglichkeit für einen Widerruf eröffnet worden, und es gab keine Möglichkeit für eine Abänderung oder Annullierung“. Christliche Zionisten bestehen darauf, dieser bedingungslose Bund sei, ungleich des „bedingten Vertrags“ vom Sinai durch den Neuen Bund nicht außer Kraft gesetzt oder ersetzt worden. Während Bewohnung des Landes vom Gehorsam für das mosaische Gesetz abhing, war das Eigentum auf Grundlage von Gottes unilateralem Eid ewig garantiert. Trotz Perioden langgezogenen Exils war die Beziehung zwischen dem jüdischen Volk und dem Lande deshalb nur „unterbrochen“ und nicht abgetrennt“. Die Rückkehr aus dem Exil hing vollkommen von Gottes Treue zu Seinem Bund mit Abraham ab. Wie der Psalmist verkündete, Gott „gedenkt auf ewig an seinen Bund, an das Wort, das er ergehen ließ auf tausend Geschlechter hin; [an den Bund,] den er mit Abraham geschlossen, an seinen Eid, den er Isaak geschworen hat“ (Psalm 105,8-9; vergleiche Lukas 1,54-55.68-73). Paulus bestätigt dies in seinem Brief an die Galater, wenn er schreibt:

…Ein von Gott auf Christus hin zuvor bestätigtes Testament wird durch das 430 Jahre danach entstandene Gesetz nicht ungültig gemacht, so dass die Verheißung aufgehoben würde. Denn wenn das Erbe durchs Gesetz käme, so käme es nicht mehr durch Verheißung; dem Abraham aber hat es Gott durch Verheißung geschenkt. (Galater 2,17-18)

Obgleich christliche Zionisten jenen, die Israels künftige Wiederherstellung bestreiten, die Rolle des „zu Hause gebliebenen Sohnes“ zuweisen (Lukas 15,11-32), beharren sie darauf, es beruhe nicht auf Verdienst, wenn Gott Israel wiederherstellen wird, „sondern weil Er ein Souverän ist, der den Bund einhält, der Rücksicht auf Seine Reputation nimmt“. Dave Hunt sagte es so, „Gottes Integrität ist mit Israel verknüpft“. Diese untrennbare Verbindung zwischen der Ehre von Gottes Namen und der Wiederherstellung der Juden in das Land, wird in folgender biblischen Prophezeiung hervorgehoben:

Darum sprich zu dem Haus Israel: So spricht GOTT, der Herr: Nicht um euretwillen tue ich dies, Haus Israel, sondern wegen meines heiligen Namens, den ihr entweiht habt unter den Heidenvölkern, zu denen ihr gekommen seid. Darum will ich meinen großen Namen wieder heilig machen, der vor den Heidenvölkern entheiligt worden ist, den ihr unter ihnen entheiligt habt! Und die Heidenvölker sollen erkennen, dass ich der HERR bin, spricht GOTT, der Herr, wenn ich mich vor ihren Augen an euch heilig erweisen werde. (Hesekiel 36,22-23)

Sollte der abrahamitische Bund, wie Substitutionstheologen behaupten, mit Bedingungen verknüpft sein, dann wäre laut George Peters „alles andere vorbehaltlich; dann bröckeln die Grundlagen der christlichen Hoffnung unter uns weg, und nichts Stabiles bleibt.“ Mit anderen Worten, wenn Israel von Gott verworfen und aufgrund seines Versagens durch die Kirche ersetzt ist, „könnte man dann nicht gleichermaßen argumentieren, dass die Kirche Gott auch erbärmlich enttäuscht hat?“