Die Kosten des Gehorsams | thebereancall.org

Hunt, Dave

Die Kosten des Gehorsams

Auszug aus To Russia with Love – die wahre Geschichte von Hans Kristian, wie an Dave Hunt berichtet.

Nach rastlosem und aufgewühltem Schlaf erwachten Bent und ich früh. Wir wuschen uns, zogen uns an, lasen unsere Bibeln, beteten gemeinsam, und vertrauten uns und unsere Liebsten zu Haus Gott an. Unter Hausarrest in diesem alten Hotel, wo wir eine gute Sicht auf Brest hatten, das seinen Geschäften unter uns nachging, komplett abgeschnitten von der Welt draußen, auf unsere Vernehmer wartend, wurde uns die Schwere unseres misslichen Lage mehr bewusst. Wann würden sich unsere Familien Sorgen machen und versuchen uns zu finden? Wir versuchten uns einzureden, wir würden bald freigelassen, doch gleichzeitig fürchteten wir, das sei nicht der Fall. Wir hatten zu viele schwerwiegende Bedenken, um hungrig zu sein, und riefen Gott an, uns zu stärken, für was immer Sein Wille war.

Gegen 10:30 klopfte jemand schließlich kurz an, und bevor wir antworten konnten, wurde die Tür aufgerissen. Vier Mann und eine Frau kamen in den kleinen Raum. Sie waren offensichtlich ein Spezialisten Team, das von weit angereist war, um uns zu verhören. Ihre berufliche Kompetenz war rasch sichtbar.

„Sie sind Kristian?” fragte ein intelligent ausschauender, junger Mann von etwa 30…. Die Stimme war freundlich, der Blick offen und direkt. Sie verhielten sich total anders als die gestern beim brisanten Austausch an der Grenze.

Ich nickte zustimmend.

„Ich bin ihr Übersetzer”, erklärte der junge Mann, streckte seine Hand aus, sagte mir aber seinen Namen nicht. Sein Englisch war weit besser als meines. Als er Bent dann die Hand gab, sagte er, „Sie werden mit ihnen gehen.“

Man stellte mir zuerst nur harmlose Fragen, wie mir Russland gefiele, wie lange ich da gewesen sei, ob ich zuvor dagewesen sei und warum ich gekommen wäre. Dann erinnerten mich meine Frager, ich sei unter Arrest, weil ich Bibeln ins Land bringe und fragten mich, ob das stimme. Hatte ich wirklich Bibeln nach Russland gebracht?

Ich gab es bereitwillig zu.

„Wussten Sie nicht, das ist verboten?” fragte er.

„Ich kenne kein Gesetz, das verbietet, Bibeln als Geschenk mitzubringen”, antwortete ich.

Er kannte anscheinend meine Argumente über die Legalität meines Tans, daher verfolgte er diesen Punkt nicht. Wie er das vielmehr fallenließ und mit etwas anderem weitermachte, machte mir deutlich, mein Schicksal hing nicht von Gesetzesfragen ab, sondern alleine von ihrem Willen. Ich war ihnen vollkommen ausgeliefert.

„Sie gaben vor, als Tourist zu kommen”, fuhr er rasch fort. Sie sollten wirklich ein Tourist sein, dann hätten Sie kein Problem. Tatsächlich haben Sie ihre Absichten versteckt, wie auch Ihre Bibeln. Wie ein feindlicher Spion sagten Sie uns nicht, Sie seien ein Christ, der unseren Leute gefährliche Propaganda bringt.“

„Das stimmt nicht”, protestierte ich. „Als wir an der Grenze einreisten, sagte ich dem Intourist Übersetzer – dem allerersten Russen, dem ich begegnete – ich sei Christ und redete mit ihm über Gott.“

Er runzelte überrascht die Stirn. „Diese Information haben wir nicht. Was sagten Sie?“

„Ich fragte, ob er an Gott glaube, und er sagte, er glaube nicht an Dinge, die er nicht verstehen könnte. ‚Glauben Sie, das Universum sei endlos?‘ fragte ich ihn. Er sagte ‚Ja, sonst müssten wir fragen, was dahinter liegt.‘ Da fragte ich ihn, ob er dies verstünde, und er sagte nein. Dann sagte er, er sei zu wissenschaftlich, um an etwas zu glauben, was er nicht sehen könne, und ich nannte ihm Dinge, die er nicht sehen konnte, aber woran er glaubte. Man kann kein wahrer Wissenschaftler sein und nicht an Gott glauben. Da sehen Sie, ich verbarg meine Absichten nicht wie ein Spion!“

Er hatte seinen Mund geöffnet, als ob er mich stoppen wollte, aber ich hatte weitergeredet. Nun schaute er böse. „Es ist verboten, in der Sowjetunion so über Gott zu sprechen“, ermahnte er mich. „Für unsere Bürger muss religiöse Propaganda auf genehmigte Kirchen beschränkt sein. Und für Besucher wie Sie ist es komplett verboten.

„Aber Christus hat uns gesagt, in alle Welt zu gehen und jedem zu sagen, Er sei für unsere Sünden gestorben. Wir Christen werden Ihm weiter gehorchen, sogar wenn Sie es uns verbieten!“

“Dann müssen Sie die Folgen tragen”, sagte er scharf, und ließ jede Vorspiegelung von Freundlichkeit fallen. „Sie wissen bestimmt, dass Sie sich über unsere Gesetze hinweggesetzt und ein schweres Verbrechen begangen haben. Wenn ich keine Nachsicht für Kooperation empfehle, werden Sie wohl eine Strafe von zehn Jahren erhalten!“

Ich holte tief Atem, mein Herz begann so laut zu pochen, dass sie es sicher beide hören konnten. Zehn Jahre! Bluffte er nur?... Offensichtlich hatte ich den Ernst unserer Lage unterschätzt! Aber zehn Jahre!...

Gegen sechs Uhr schaute mein Vernehmer auf seine Uhr und stand gähnend auf. Sie wollten wohl noch eine Pause machen, vielleicht sogar zu Abend essen. Aber mir war keine Ruhe vergönnt.

“Sie haben eine Stunde”, sagte er durch den Übersetzer, “einen vollständigen und genauen Bericht von allem zu schreiben, was Sie seit Eintritt in die Sowjetunion getan haben. Wir wollen genau wissen, wohin sie gingen, mit wem Sie sprachen und wem sie eine Bibel gaben – alles.

Er holte mehrere Blätter einfachen, gelben Papiers aus seiner Mappe und legte sie auf den kleinen Tisch neben der Tür, als er ging.

Nun alleine schaute ich auf meine Uhr und entschied, 45 Minuten Bibel zu lesen und zu beten. Die letzten 15 Minuten wollte ich dann meinen Bericht schreiben, der wohl kurz werden würde…. Ich öffnete meine Bibel, aber ich konnte sie nicht lesen. Meine Gedanken waren weit weg in Dänemark, bei Ninna und den Kindern. Meine Augen wurden feucht. Ich konnte Ninna sehen, so wie sie schaute, als sie mir zuerst begegnet war…. Szenen unserer einfachen Hochzeit kamen hoch. Und unsere Kinder – zwei Jungs und ein Mädchen – mollige Babys mit rosa Bäckchen in Ninnas Armen, dann lernten sie laufen, sprechen. Wie rasch waren sie gewachsen. Der älteste wurde jetzt acht.

Ich wandte mich weg vom Fenster und weinte beim Gedanken, ins Gefängnis zu gehen und ohne sie zu sein! Ich konnte das nie ertragen! Es zuzugeben beschämte mich, aber es stimmte. Ich war kein Held. Aber war dies nicht Liebe? Sollte ich mich der Liebe schämen, die Gott mir für sie gegeben hatte – oder fürchtete ich mich vielmehr um mein eigenes Schicksal, das mich zutiefst schmerzte? Wie konnte ich mein Herz kennen?

Neben dem Bett fiel ich auf die Knie, weinte meine Verwirrung aus und sagte dem Herrn, wie sehr ich sie liebte. Ich gab zu, Angst um mich zu haben und bat Ihn um Kraft. Aber meine Pein nahm nur zu. Gott schien mich zu fragen, „Wie sehr liebst du Mich? Bist du willens, von allen deinen Lieben getrennt zu werden, wenn es Mein Wille für dein Leben ist?“

Von allem, was ich liebte, getrennt zu werden? Das gab mir neue Einblicke. Plötzlich sah ich eine ganze Prozession von Dingen, die ich sehr liebte. Das Apartment, in das wir vor kurzem gezogen waren. Wir hatten genau das gewollt, aber mir war nie klar, dass ich es liebte…. Und die Rosen im Garten – ja, ich liebte die Rosen sehr…. Und die Bücher. Ich liebte sie auch, die Hunderte Bände, die auf vielen Regalen standen… im Gefängnis wäre ich ohne sie. Und ich liebte es, Pastor zu sein. Vielleicht war ich deshalb nicht der Vater und Mann, der ich sein sollte – ich liebte so viel anderes, dass ich oft nicht für die Zeit hatte, die ich am meisten liebte, Ninna und die Kinder. Ich vernachlässigte meine oberste Pflicht, und rannte anderem nach. Oft war ich auch wütend auf sie. Sogar nach einer Predigt über die Kontrolle des Heiligen Geistes wurde ich wütend. Ja, gerade wenn ich darüber gepredigt hatte. Was nützte das Kopfwissen, wenn ich es nicht in meinem Leben anwenden konnte?

„So steht es jetzt mit mir!” Unter Schluchzen sagte ich das dem Herrn. „Ich predigte darüber, mich Deinem Willen zu unterwerfen, gebe aber zu, dass ich nicht ins Gefängnis gehen will. Ich will meine Frau und die Kinder nicht aufgeben, nicht einmal die Rosen und Bücher. Ich habe Dir zuvor gesagt: Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe – aber es war ein Lippenbekenntnis, es kam nicht von Herzen. Ich kann es nur so sagen. Ich komme zu Dir und bitte Dich, mich wirklich von Herzen bereit zu machen, Deinen Willen zu tun, was immer er sei.“

Ich hörte mit den Versuchen auf, zu beten und zu kapitulieren. Gott würde mir nicht nur die Kraft geben müssen, im Gefängnis zu bestehen, Er würde mir auch die Kraft geben müssen, es von Seiner Hand annehmen zu wollen.

Nun da ich nicht mehr zu Ihm redete, begann Er mit mir zu reden. Mir kam der Vers in den Sinn: der um der vor ihm liegenden Freude willen das Kreuz erduldete. Das war das Geheimnis. Ich hatte mich Seinem Willen als Held ergeben wollen – aber Gott wollte mich nicht als Held. Er bat mich nur zu glauben, Sein Wille sei am besten und die Belohnung, die Er dafür geben würde, sei weit größer als alles, was ich opfern sollte.

Plötzlich wusste ich so klar, wie ich meine Existenz in Gottes Schöpfung kannte, dass ich Seinen Willen wollte. Wenn man ihn verpasste, verpasste man das Leben selbst. Alles andere war Tod, egal wie attraktiv verpackt. Seinen Willen zu wählen war kein Heldenopfer, sondern das im Glauben anzunehmen, was unendliche Liebe und Weisheit für mich als Bestes entschieden hatten. Und wenn das hieße, im Gefängnis zu sein, dann wollte ich dort vor allem anderen sein – in Seinem Willen.

Ich stand auf, setzte mich auf die Bettkante und nahm meine Bibel. Jesaja 50 war aufgeschlagen. Hungrig lesend kam ich zu den Worten in Kapitel 51,7-16: „Fürchtet euch nicht vor dem Schmähen der Menschen und entsetzt euch nicht vor ihrem Lästern…. So werden die Erlösten des HERRN zurückkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird über ihrem Haupt sein; Freude und Wonne werden sie erlangen, aber Kummer und Seufzen wird entfliehen. Ich, ich bin es, der euch tröstet. Wer bist aber du, dass du dich… fürchtest, vor dem Menschenkind, das wie Gras dahingegeben wird, und dass du den HERRN vergisst…. Und allezeit, den ganzen Tag, fürchtest du dich vor dem Grimm des Bedrückers…? Der in Ketten Gekrümmte wird schnell losgemacht… [damit sein Geist nicht versagt]…. Ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt und dich mit dem Schatten meiner Hand bedeckt….“

Jesaja hatte diese Prophezeiung vor beinahe 3’000 Jahren geschrieben, aber ich wusste im Innern, dass sie auf mysteriöse Weise Gottes Versprechen für mich genau jetzt war. Das war kein Wunschdenken, vergebliche Hoffnung, ein Strohhalm, den ich verzweifelt ergriff – ich wusste es. Kurz zuvor war ich verzweifelt, von Furcht ergriffen, im Gefängnis zu verschmachten, und nun wusste ich mit absoluter Gewissheit, dass ich freigelassen würde. Der lebendige Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde hatte mir diese Gewissheit ins Herz gegeben.

Ich weinte wieder, aber jetzt vor Freude.