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Mackintosh, CH

Hiob und seine Freunde

Auszug von C.H. Mackintosh

Es gibt kein fruchtbareres Studiengebiet als das, was sich vor uns in der Geschichte von Gottes Umgang mit Seelen eröffnet. Es ist äußerst interessant und reich an Lehre und Nutzen. Ein großes Ziel bei diesem Umgang ist es, wirkliche Zerschlagenheit und Demut zu schaffen – uns aller falschen Gerechtigkeit zu entkleiden, uns von jeglichem Selbstvertrauen zu entleeren und uns zu lehren, sich ganz auf Christus zu verlassen. Alle müssen durch den so genannten Prozess des Entkleidens und Entleerens hindurchgehen. Bei einigen liegt dieser Prozess vor der Neuen Geburt – bei anderen folgt er ihr. Viele werden durch tiefes Pflügen und schmerzhafte Übungen des Herzens und Gewissens zu Christus gebracht – Übungen, die sich über Jahre erstrecken, oft das ganze Leben durchziehen. Andere im Gegenteil werden mit vergleichsweise geringen Übungen der Seele gebracht. Sie erfassen rasch die frohen Nachrichten der Vergebung der Sünde durch den Sühnetod Christi und werden sofort glücklich gemacht. Aber das Entkleiden und Entleeren kommt danach. In vielen Fällen wird die Seele, auf ihrem Fundament schwanken und beinahe ihre Bekehrung bezweifeln. 

Dies ist sehr schmerzhaft, aber sehr nötig. Die Tatsache ist, das Selbst muss früher oder später erfahren und gerichtet werden. Wenn es nicht in Gemeinschaft mit Gott erfahren wird, muss es durch bittere Erfahrungen im Versagen und Stürzen erkannt werden. „In Seiner Gegenwart darf sich kein Fleisch rühmen“; und wir müssen alle unsere äußerste Machtlosigkeit in jeder Hinsicht kennenlernen, damit wir die Süße und den Trost der Wahrheit schmecken können: dass Christus von Gott für uns zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht ist. Gott will zerschlagenes Material haben. Lasst uns daran denken. Es ist eine ernste und notwendige Wahrheit: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig wohnt und dessen Name »Der Heilige« ist: In der Höhe und im Heiligtum wohne ich und bei dem, der zerschlagenen und gedemütigten Geistes ist, damit ich den Geist der Gedemütigten belebe und das Herz der Zerschlagenen erquicke.“ Und weiter: „So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße! Was für ein Haus wollt ihr mir denn bauen? Oder wo ist der Ort, an dem ich ruhen soll? Denn dies alles hat meine Hand gemacht, und so ist dies alles geworden, spricht der HERR. Ich will aber den ansehen, der demütig und zerbrochenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort“ (Jesaja 57,15; 66,1.2).

Das sind angemessene Worte für uns alle. Eine spezielle Not momentan ist die Zerschlagenheit des Geistes. Neun Zehntel unserer Probleme und Schwierigkeiten führen auf diese Not zurück. Es ist wunderbar wie wir von Tag zu Tag weiterkommen – in der Familie, der Versammlung, der Welt, in unserem gesamten praktischen Leben, wenn das Selbst gebändigt und im Tod gehalten wird. Tausend Dinge, die sich sonst als mehr als ein Zündholz für unsere Herzen erweisen würden, werden als nichts angesehen, wenn unsere Seelen in einem wirklich zerschlagenen Zustand sind. Wir sind in die Lage versetzt, Tadel und Beleidigung zu ertragen, Beleidigungen und Kränkungen zu übersehen, auf unsere Obsessionen, Vorlieben und Vorurteile zu trampeln, anderen gegenüber nachzugeben, wo gewichtige Prinzipien nicht einbezogen sind, bereit für jedes gute Werk zu sein, eine angenehme Großherzigkeit in allen unseren Beziehungen an den Tag zu legen, und eine Anpassungsfähigkeit in all unseren moralischen Bewegungen, die so sehr die Lehre von Gott unserem Heiland schmücken. Ach wie oft steht es anders um uns. Wir zeigen eine heftige und unnachgiebige Gereiztheit; wir stehen für unsere Rechte auf; wir behaupten unsere Interessen; wir schauen nach unseren eigenen Dingen; wir verfechten unsere eigenen Vorstellungen. All dies beweist sehr deutlich, dass das Selbst nicht regelmäßig in der Gegenwart Gottes gemessen und gerichtet wird.

Aber wir wiederholen – und mit Nachdruck – Gott will zerbrochenes Material haben. Er liebt uns zu sehr um uns in Härte und ohne bezwungen zu sein zu belassen; und daher hält Er es für angebracht, dass wir alle Arten von Übungen durchleben, um uns in eine Seelenlage zu bringen, wo Er uns zu Seiner Herrlichkeit verwenden kann. Der Wille muss gebrochen werden; Selbstvertrauen, Selbstgefälligkeit und Aufgeblasenheit müssen an der Wurzel zerschnitten werden. Gott wird Vorfälle und Umstände verwenden, durch die wir gehen müssen [und] Leute, mit denen wir im täglichen Leben zusammen sind, um das Herz zu disziplinieren und den Willen zu bezwingen. Und weiter wird Er Selbst direkt mit uns handeln, um diese großartigen, praktischen Ergebnisse zu erzielen.  

All dies kommt mit großartiger Deutlichkeit im Buch Hiob heraus und gibt seinen Seiten eine wunderbare Bedeutung und Charme. Es ist ganz offensichtlich, dass Hiob massives Sieben brauchte. Hätte er es nicht gebraucht, dürfen wir gewiss sein, dass der gnädige, liebende Herr ihn nicht da durch gebracht hätte. Es war nicht umsonst, dass Er Satan auf seinen lieben Knecht losließ. Wir können mit vollster Zuversicht sagen, nichts als die strengste Notwendigkeit wird Ihn dazu gebracht haben, eine solche Vorgehensweise einzuschlagen. Gott liebte Hiob mit perfekter Liebe; aber es war eine weise und getreue Liebe – eine Liebe, die alles berücksichtigte, und wenn man unter die Oberfläche schaut, konnte man die tiefen moralischen Wurzeln im Herzen Seines Knechtes sehen – Wurzeln, die Hiob nie gesehen hatte, und deshalb nie richtete. Was für eine Barmherzigkeit mit einem solchen Gott zu tun zu haben! In den Händen des Einen zu sein, der uns keinen Schmerz ersparen wird, um alles in uns zu bezwingen, was gegen Ihn steht und in uns Sein eigenes, gesegnetes Bild herauszubringen!

Aber geliebter Leser, liegt da nicht etwas zutiefst Interessantes in der Tatsache, dass Gott sogar Satan als Instrument der Disziplinierung Seiner Leute verwenden kann? Wir sehen dies in dem Fall des Apostel Petrus wie auch in dem des Patriarchen Hiob. Petrus musste gesichtet werden und Satan wurde dazu verwendet, das Werk zu tun. „Simon, Simon, siehe, der Satan hat euch begehrt, um euch zu sichten wie den Weizen.“ Auch hier gab es eine strenge Notwendigkeit. Eine tiefe Wurzel in Petri Herz musste erreicht werden – die Wurzel des Selbstvertrauens; und sein getreuer Herr erachtete es für absolut notwendig, ihn durch einen sehr harten und schmerzhaften Prozess zu führen, damit diese Wurzel bloßgestellt und gerichtet werden konnte; und Satan durfte ihn deshalb durch und durch sichten, so dass er nie wieder auf sein eigenes Herz vertrauen möge, sondern gütig den Rest seiner Tage wandeln würde. Gott will gebrochenes Material, sei es in einem Patriarchen oder einem Apostel. Alles muss aufgelockert und bezwungen werden, damit die göttliche Herrlichkeit mit immer aufhellendem Glanz aufleuchte.

Hätte Hiob dieses großartige Prinzip verstanden – hätte er das göttliche Ziel begriffen – wie anders hätte er sich verhalten! Aber wie wir musste er seine Lektion lernen; und der Heilige Geist hat uns den Bericht der Art und Weise geliefert, wie die Lektion gelernt wurde, so dass auch wir von ihr profitieren mögen.

Charles Henry Mackintosh (1820-1896) war irischer Prediger, Bibelkommentator und Verfasser. Er war in der irischen Erweckung 1859-1860 aktiv und gab etwa vierzig Jahre lang das monatliche Magazin Things New and Old heraus. Sein erstes Traktat 1843 war „The Peace of God“, und sein letztes, kurz vor seinem Tod 1896, war „The God of Peace“.